
Disruptive Innovation: Die Vorteile von Digital Denture für Praxis und Labor
Disruption (engl. für stören, zerschlagen) ist ein derzeit häufig zu hörender Begriff; insbesondere im Bereich der Digitalwirtschaft. Gemeint ist ein Vorgang, bei dem bestehende traditionelle Geschäftsmodelle (Produkte, Technologien, Dienstleistungen) von innovativen Erneuerungen abgelöst und teilweise verdrängt werden. Zwei Beispiele sind der Fahrdienstleister Uber, der das konventionelle Taxi-Geschäft verändert und Netflix, der Streaming-Dienst, der die klassische Videothek nahezu überflüssig werden lässt.
von: DD Eric Kukucka, Kanada | Facebook | Instagram
Disruption in der dentalen Welt
In der Dentalbranche bezeichnen einige Menschen digitale Prothesen als disruptive Innovation. Beispiel ist der effiziente Prozess von Ivoclar Vivadent Digital Denture Professional. Dem prothetischen Arbeitsteam wird auf Basis des dreidimensionalen Datensatzes (digitalisierte konventionelle Abformung) ein virtuelles Modell wiedergegeben. Nach Eingabe aller Daten konstruiert die Software nahezu automatisch die Prothese; ggf. erfolgen noch individuelle Anpassungen. Die finale Konstruktionsdatei dient dann dem Fräsen der Prothese. Für manch einen mag das wie „Science Fiction“ klingen, doch es ist Realität.
Digitale Totalprothetik braucht den Zahnarzt und Zahntechniker
Bei meiner Vortrags- und Beratertätigkeit stelle ich unter anderem häufig fest, dass sich einige der erfahrenen Prothetiker und Zahntechniker durch die sich abzeichnende digitale Zukunft in unserer Branche „bedroht“ fühlen. Obwohl das verständlich ist, bin ich überzeugt davon, dass diese Befürchtungen fehl am Platz sind. Vielmehr können und sollten wir den digitalen Technologien mit positiver Einstellung gegenüberstehen. Aus meiner Erfahrung heraus möchte ich betonen, dass wir gemeinsam die Chancen der disruptiven Technologie – in unserem Fall der digitalen Totalprothetik – annehmen und nutzen sollten. Das wichtigste „Hand“-Werkzeug für digitale Prothesen ist keine verworrene Zeichenfolge von 0 und 1 (Computercode), sondern der Spezialist, der die Software bedient. Jede Konstruktionssoftware benötigt Daten und ist für den Gestaltungsprozess auf patientenspezifische Informationen angewiesen. Diese Daten müssen zunächst von uns evaluiert und dann an die Software übergeben werden.
Digitale Totalprothetik ist im Sinne vieler Patienten
Die digitale Prothetik bietet unzählige Vorteile. Wer Fachmedien mit Interesse verfolgt, dem ist dies wahrscheinlich bewusst. Einer der wichtigsten Aspekte für viele Praxen und Labore ist, dass digitale Prothesen vorhersehbar und reproduzierbar sind. Einmal hergestellt, kann die digitale Prothese jederzeit neu angefertigt werden, ohne dass zusätzliche invasive Eingriffe am Patienten notwendig sind. Zudem ist mit der digitalen Fertigung der Prothese eine gleichmässige Stärke der Prothesenbasis möglich. Des Weiteren können verschiedene Okklusions- und Artikulations-Modelle mittels digitalem Workflow generiert werden und patientenspezifisch eingesetzt werden. In meinem Arbeitsalltag ist die Möglichkeit, Zahnformen auf Knopfdruck gemäss meinen Angaben zu individualisieren, sehr wertvoll geworden.
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Im Gegensatz dazu zeigen sich bei konventionellen Prothesen, welche wir nun als „analoge Prothesen" bezeichnen könnten, eine Reihe von Herausforderungen. Die Herstellung ist zeitaufwendig. Es wird eine Vielzahl von Behandlungsterminen und vergleichsweise lange Bearbeitungszeiten erforderlich. Für den Patienten ist der gesamte Prozess aufwendig, zeitraubend und oft mühsam. Während diese Aspekte lange Zeit als unvermeidliche Widrigkeit der Totalprothetik galten, zeigt uns der technische Fortschritt, dass dies nicht länger so bleiben muss. Die Bereitstellung einer gut integrierten digitalen Prothese benötigt weniger Interventionen vonseiten des Zahnarztes und des Zahntechnikers. Die Herstellung digitaler Prothesen ist deutlich effizienter. Somit können Labor sowie Zahnarztpraxis und letztlich der Patient Zeit und Geld einsparen.
Die gefräste Prothesenbasis in der PrograMill PM7 (Aufmassprozess «Over-Size Milling», CAM 5)
Aus einem polychromatischen PMMA-Material gefräster Zahnkranz (SR Vivodent CAD Multi)
Unverzichtbar bleiben Wissen, Fertigkeiten und Erfahrung
Doch trotz aller Innovationen ist zu betonen, dass die technischen sowie klinischen Fertigkeiten und praktischen Erfahrungen aus der analogen Verarbeitung von Zahnarzt und Zahntechniker nicht überflüssig werden. Selbst die modernsten Werkzeuge und Technologien, wie 3D-Scanner und -Drucker sowie ausgefeilte Fräsmaschinen, benötigen gute, patientenspezifische Daten. Nur mit dem Know-how des Experten kann die Software eine gute digitale Prothese generieren.
Die Erstabformung ist nach wie vor das eigentliche Fundament einer Prothese – egal ob konventionell oder digital gefertigt. Zwar vermag es ein digitales System gute, genaue und reproduzierbare Prothesen zu konstruieren, doch ist für das optimale Ergebnis eine saubere Datenbasis notwendig. Der Zahnarzt muss auf konventionellem Weg eine präzise Abformung und Bissregistrierung vornehmen. Dabei erleichtern die klinischen Instrumente wie der Centric Tray, der UTS CAD und Gnathometer CAD den digitalen Prozess wesentlich und machen ihn somit vorhersehbar.
In meiner Praxis – dem The Denture Center – bestimmen die Grundprinzipien der Prothesenherstellung den Tagesablauf. Für jeden Patienten wird zunächst sorgfältig eine qualitativ hochwertige Erstabformung genommen sowie im Anschluss eine funktionelle Abformung einschliesslich Stützstiftregistrierung realisiert. Ausserdem erfolgt eine umfassende ästhetische Bewertung mit physischer Einprobe. Erst danach stellen wir die permanente Prothese aus hochwertigen PMMA-Materialien im CAD/CAM-gestützten Prozess her.
Ich lade Sie ein, u. a. hier einige Einblicke in unseren Arbeitsablauf zu gewinnen. Wir möchten Ihnen überzeugende Argumente dafür bieten, warum die digitale Prothesentechnologie keine Bedrohung darstellt. Manchmal sind disruptive Innovationen das Beste, was allen Beteiligten passieren kann.
Fertige Prothese direkt nach dem Fräsen. Prothesenbasis und Zahnkranz sind vereint.