
Ein Blick hinter die Kulissen des 3D-Drucks: Von der Idee bis zum fertigen Druck
Der dentale 3D-Druck war eines der Trendthemen auf der IDS 2019. Dabei wurden lebhafte Diskussionen über Präzision, Geschwindigkeit sowie Vor- und Nachteile des 3D-Drucks in der Zahntechnik geführt. Lesen Sie Teil 1 der Beitragsreihe über die Hintergründe, die Vorteile und den gegenwärtigen Stand des 3D-Drucks im Dentallabor.
Ein Interview mit Zahntechnikmeister Tobias Specht, Director GBU Labside Digital, und Jörg Ebert, Senior Research Associate bei Ivoclar Vivadent.
Herr Specht, wo steht der 3D-Druck in den zahntechnischen Laboren heute? Und welche Gründe sprechen für einen Einstieg in den 3D-Druck?
Tobias Specht: Wir stehen ziemlich am Anfang. Auch wenn es scheint, als würde ein Grossteil der Dentallabore bereits voll digital arbeiten, stimmt das nicht ganz.
In den letzten Jahren haben wir jedoch eine deutliche Steigerung der Verwendung von Intraoral-Scannern in den Zahnarztpraxen wahrgenommen. Daraus ergibt sich auch eine Zunahme an digitalen Files im Labor, die dementsprechend mittels einer CAD-Software weiterverarbeitet werden wollen. Aus diesem Grund bietet sich vor allem für kleinere Labore der Einstieg in die digitale Welt an, um weiterhin mit ihren Zahnärzten zusammenarbeiten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Immer mehr Labore, die den digitalen Workflow bereits gestartet haben, versenden das CAD-Design zum Fräsen nicht mehr, sondern produzieren inhouse. Allerdings sind nicht alle Objekte auf Grund ihrer Geometrie zum Fräsen geeignet. Ein gutes Beispiel hierfür sind Modelle. Dank den Fortschritten im 3D-Druck wird es jedoch zukünftig möglich sein, alle Objekte selbst zu produzieren.
Dieses Webinar zeigt Ihnen die wichtigen Schritte, wenn es um intraorale Scans geht und zwar in Kombination mit der DesignSoftware und 3D gedruckten Modellen.
Wie würden Sie das 3D-Drucken im Vergleich zum Fräsen positionieren? Wo sehen Sie Vorteile des Druckens in der Zahntechnik?
Tobias Specht: Der Besitz einer Fräsmaschine schliesst den Besitz eines 3D-Druckers keineswegs aus. Vielmehr versteht sich der 3D-Druck als Ergänzung zum Fräsen. Das Beste aus beiden Welten sozusagen.
Wie vorhin bereits erwähnt lassen sich manche Objekte aufgrund ihrer Konstruktion besser drucken als fräsen. Auch kann der Materialverbrauch beim Drucken wesentlich geringer als beim Fräsen sein. Beim Fräsen von Aufbissschienen beispielsweise muss verhältnismässig viel Material aus dem PMMA-Rohling abgetragen werden, bis die Schiene ihrem Design entspricht. Beim Drucken hingegen wird lediglich so viel Material benötigt, wie für die Schiene und die Stützstrukturen notwendig ist.
Nehmen die Kapazitäten auf den Fräsmaschinen für Kronen und Brücken aus Zirkon oder Cobalt-Chrom so weit zu, dass z. B. Modelle, Schienen und Wachs nicht mehr gefräst werden können, lohnt es sich, anstelle einer weitere Fräsmaschine einen preislich günstigeren Drucker anzuschaffen, um freie Kapazitäten auf der Fräsmaschine zu bekommen.
Ein weiterer Vorteil des Druckens gegenüber dem Fräsen kann auch die Zeitersparnis sein. Beim Fräsen wird jede Krone separat bearbeitet. Beim Drucken dagegen können so viele Objekte gleichzeitig gedruckt werden, wie es die Grösse der Bauplattform zulässt. Der Bauprozess ist, zumindest bei der DLP-Technologie, nämlich nicht von der Anzahl der Objekte, sondern lediglich von der Bauhöhe des Objekts abhängig.
Herr Ebert, Herr Specht hat soeben die DLP-Technologie erwähnt. Können Sie uns einen Überblick geben, welche Technologien im 3D-Druck überhaupt Verwendung finden, und wann er entwickelt wurde?
Jörg Ebert: Der Auftakt des 3D-Drucks wird Dr. Hideo Kodama zugeschrieben, der bereits 1980 ein Patent für einen 3D-Drucker anmeldete.
Der Einsatz des 3D-Drucks in der Dentalbranche kam mit der fortschreitenden Digitalisierung und Entwicklung geeigneter Softwarelösungen, die sowohl der Indikation als auch den neuen Verfahren gerecht werden. Im Grunde müssen bei der Wahl der Technologie drei Fragen beantwortet werden:
- Welches Material bzw. welche Materialeigenschaften benötige ich im Hinblick auf die Anforderungen an Medizinprodukte?
- Welche Präzision, Oberflächengüte oder Ästhetik ist gefordert?
- Wie produktiv bin ich oder möchte ich sein?
So werden Metallgerüste z. B. direkt über selektives Laserschmelzen (SLM) hergestellt. Hier sind Anlagengrösse und -kosten auf Fertigungszentren ausgelegt. Die kostengünstigere Variante erfolgt indirekt über das Wachsausbrennverfahren. Die ersten Drucker waren hier reine Wachsdrucker, die mit einem Verfahren arbeiteten, das Schicht für Schicht aufbaute. Grösster Nachteil war die Dauer von mehreren Stunden für die Herstellung einer einzigen Restauration.
Die längste Entwicklungsgeschichte weist dank Dr. Kodama die Stereolithographie auf. In unterschiedlichen Varianten wie der laserbasierten Stereolithografie (SLA) oder der digitalen Projektionstechnik (DLP) wurde diese Technologie stetig weiterentwickelt. Sie ist heute, zumindest für Polymere, die ausgereifteste unter den aufbauenden Verfahren für hochpräzise Produkte.
Digitale Zahnmedizin und Zahntechnik: Die dentale Welt im Wandel
Auf der IDS 2019 präsentierte Ivoclar Vivadent ebenfalls einen 3D-Drucker, der in naher Zukunft verfügbar sein wird. Mit welcher Technologie arbeitet er?
Jörg Ebert: Der PrograPrint PR5 ist ein Stereolithograpie-Drucker basierend auf der DLP-Technologie. DLP steht für «digital light processing» und bietet entscheidende Vorteile gegenüber der laserbasierten Stereolithographie, wie z. B. die erhöhte Geschwindigkeit dank Flächenbelichtung. In der Entwicklung sind wir noch einen Schritt weitergegangen und haben die digitalen Informationen mit den physikalischen Hardwaregegebenheiten und den chemischen Materialeigenschaften in optimaler Weise kombiniert.
Können Sie das genauer erklären?
Jörg Ebert: Sie haben sicher auch schon bei einer Taschenlampe bemerkt, dass durch Drehen des Lampenkopfes die Helligkeit wahlweise im Zentrum hoch ist und im Randbereich abnimmt oder überall annähernd gleich ist dafür aber weniger hell. Wir mussten uns ebenfalls fokussieren: Für eine präzise und schnelle Polymerisation ist die Vorgabe: gleiche Helligkeit und maximale Helligkeit – neben einer messerscharfen Abbildung. Nun hat sich in der Praxis gezeigt, dass es zumeist gar nicht notwendig ist, diese maximale Lichtmenge während des Bauprozesses im gesamten Belichtungsfeld zu haben. Daraus haben wir eine neue Strategie abgeleitet. Diese errechnet die gleiche und maximale Lichtleistung slice-spezifisch. So wird sichergestellt, dass jede Druckschicht in bestmöglicher Qualität gedruckt wird. Gleichzeitig kann eine gleichbleibende Präzision garantiert werden – unabhängig davon ob die Objekte mittig oder im Randbereich der Bauplattform platziert sind. Durch die Abstimmung unserer Materialien mit der Baufeldauflösung von nur 49 µm in der Ebene, den Skalierungsfaktoren zur Schrumpfkompensation und weiteren Faktoren erreichen wir so eine mittlere Abweichung von < 20 µm und eine Standardabweichung von < 50 µm.
Ein weiterer Schlüssel zu diesem Erfolg liegt zudem im Gesamtsystem, da auch die Reinigung und Nachvergütung einen Einfluss auf die Präzision haben. Ein nicht abgestimmtes Post-Processing kann beispielsweise negative Auswirkungen auf die Passung und Präzision der gedruckten Objekte haben.
Welches sind die Vorteile und die Stärken dieser Technologie im Vergleich zu anderen Technologien?
Jörg Ebert: Die Entscheidung ist nach intensiver Analyse eindeutig auf die Stereolithographie gefallen, da sie enorme Präzisions- und Geschwindigkeitsvorteile gegenüber anderen Technologien aufweist.
Mit dem Ziel der Entwicklung eines gesamten Systems war es zudem von Vorteil, dass wir unsere Eigenentwicklung auf einer ausgereiften technologischen Basis aufsetzten.
Nicht zuletzt ist ein Mehrwert durch den Systemgedanken sicher auch dort entstanden, wo der Kunde nun ein hochmodernes LED-Nachvergütungsgerät bekommt. Es nicht nur auf die ProArt Print Materialien , sondern auch auf die Ivoclar Vivadent Composite abgestimmt. Das fundierte Know-how im Bereich der lichthärtenden Materialien war für die Produktentwicklung hier natürlich ebenfalls ein grosser Vorteil.