
Interview: Die dentale Zukunft ist digital und manuell
Ihr Patientenfall hatte 2016 für Furore gesorgt: Prof. Dr. Petra Gierthmühlen und Zahntechniker Udo Plaster aus Deutschland gehörten zu den Siegern des weltweiten IPS e.max Smile Award. In einer Kombination aus digitalen Technologien und einem akkurat geplanten und konsequent umgesetzten Therapieverlauf restaurierten sie mustergültig ein Gebiss mit stark erodierten Zähnen.
Nun verrät Prof. Gierthmühlen in einem Interview, welche Vorteile die Digitalisierung der Dentalwelt bietet und wo klassisch-manuelle Arbeitsschritte trotzdem unverzichtbar bleiben.
Wie beeinflusst die Digitalisierung im Dentalbereich Ihre tägliche Arbeit?
Prof. Dr. Petra Gierthmühlen: Vor allem bei komplexen Fällen schätze ich die digitale Planung anhand von Facescans. Im Bereich der Herstellung von Restaurationen ist die Digitalisierung inzwischen nicht mehr wegzudenken.
Wann arbeiten Sie digital und wann analog, also klassisch-manuell?
Prof. Dr. Petra Gierthmühlen: Bei komplexen Fällen plane ich volldigital. Je nach ästhetischem Anspruch lasse ich kleine vollkeramische Restaurationen wie Inlays, Onlays sowie Kronen und kleine Brücken mittels CAD/CAM-Technik oder zum Beispiel bei okklusalen Veneers analog mittels Presstechnik herstellen. Für implantatgestützte Einzelkronen und Brücken gerade im Seitenzahnbereich und selbstverständlich für Provisorien nutze ich immer häufiger digitale Techniken. Teleskope hingegen werden immer noch konventionell hergestellt.
In Ihrem Smile Award-Fall haben Sie digitale Arbeitsschritte mit manuellen kombiniert. Was waren die Vorteile dieser Herangehensweise?
Prof. Dr. Petra Gierthmühlen: Diese Herangehensweise hat Uwe Plaster und mir bei dem prämierten Fall eine ganze Reihe von Vorteilen gebracht, und zwar:
- eine vereinfachte Behandlungsplanung, zum Beispiel durch Gegenüberstellung der ästhetischen Analyse der Ausgangssituation mit dem anzustrebenden Ziel
- die Ersparnis zeitraubender Arbeitsschritte, zum Beispiel des Aufwachsens
- ein vorhersagbares, ästhetisches, aber auch kosten- und zeitsparendes Behandlungsergebnis
- reproduzierbare Ergebnisse, von der initialen Planung über das Provisorium bis zur finalen Restauration
- bildliches Aufzeigen, wie die Restauration im Mund des Patienten aussieht, sodass er sich das Endergebnis vorstellen konnte
- digitale Verfügbarkeit der ermittelten Datensätze
Warum haben Sie schlussendlich die finale Arbeit klassisch gepresst und nicht digital gefertigt?
Prof. Dr. Petra Gierthmühlen: Die ästhetische Gestaltung bedarf in der Regel manueller Fertigkeiten, zum Beispiel für die Verblendung. Wir hätten die Restauration natürlich komplett digital fertigstellen können. Wir haben sie aber doch klassisch gepresst, weil die dünnen Ränder nicht mit allen CAD/CAM-Maschinen zu realisieren sind. In diesem Zusammenhang bin ich bereits sehr gespannt auf die PrograMill-Fräsmaschine von Ivoclar Vivadent, die ja speziell auf IPS e.max abgestimmt ist.
Welche Arbeitsschritte werden nach Ihrer Einschätzung in Zukunft digital vollzogen, und welche bleiben manuell?
Prof. Dr. Petra Gierthmühlen: Meiner Meinung nach werden zum Beispiel Einzelzahnrestaurationen in Zukunft immer häufiger volldigital chairside hergestellt werden. Bei komplexen Fällen ist der Zugewinn an Vorhersagbarkeit durch die digitale Herstellungsweise immens.
Für High-End-Ästhetik-Fälle hingegen wird die manuelle Fertigstellung von einem Top-Zahntechniker nach meiner Einschätzung immer bestehen bleiben – vor allem auch bei komplexen Rehabilitationen, also kompletten Kieferrestaurationen, seien sie zahn- oder -implantatgetragen. Derartige Fälle erfordern immer die Expertise des Zahntechnikers. Gleichwohl können digitale Methoden die Herstellung von Provisorien, Abutments, monolithischen Restaurationen und Totalprothesen viel zeit- und kosteneffizienter gestalten.
Im Bereich der herausnehmbaren Prothetik (Teleskope, Hybridprothetik) gibt es aus meiner Sicht derzeit noch einen gewissen Entwicklungsstau im Bereich der digitalen Zahnmedizin. Aber auch in diesem Bereich gibt es inzwischen Innovationen, wie auf der IDS 2017 zu sehen war.
Eine detaillierte Beschreibung dieses prämierten Falles finden Sie in unserem Fachmagazin Reflect.
Prof. Dr. Petra Gierthmühlen ist Referentin am „Competence in Esthetics“-Symposium von Ivoclar Vivadent in Wien (10. bis 11. November 2017). Sie spricht dort zum Thema „All-ceramic materials and minimal invasive dentistry: Facts and visions”.
IPS e.max ist ein eingetragenes Warenzeichen der Ivoclar Vivadent AG. Die Verfügbarkeit bestimmter Produkte kann je nach Land variieren.